Redebeitrag (6/7) vom 23.01.21 – Rote Hilfe Berlin

Am 23.01.21, haben sich etwa 200 Menschen versammelten, um dem im Knast Moabit Ermordeten Ferhat Mayouf zu gedenken. Ihr findet alle Redebeiträge auf unseren Blog. Hier der von der Roten Hilfe Berlin:

(Der Beitrag wurde auch aufgenommen und ist hier zu hören)

Liebe Angehörige,
Liebe Genoss*innen,
ich grüße euch im Namen der Roten Hilfe Berlin!

Wir sind heute hier versammelt um Ferhat Mayouf zu gedenken, welcher am 23. Juli 2020 durch einen Brand in der JVA Moabit ums Leben gekommen ist.
Die offizielle Version verkündete schnell einen Suizid und die Justiz spricht die Knastleitung und die Wärter*innen von jeglicher Schuld oder Mitschuld frei. Dieser Tod reiht sich ein in die vielen anderen sogenannten „Suizide“ in Knästen, Lagern und Polizeigewahrsam, welche am besten schnell in Vergessenheit geraten sollen.

Dass wir uns jedoch hier und heute versammeln um Ferhat Mayouf zu gedenken ist kein Zufall.

Nein, denn wir verdanken es Insassen, die Ungereimtheiten offenlegten, wir verdanken es einem Familienmitglied, welches an dem Suizid klare Zweifel hegt und wir verdanken es auch Genoss*innen in Freiheit, die das kontinuierliche Töten und Morden durch Polizeigewalt in Knästen und an Grenzen nicht mehr hinnehmen wollen.

Wenn wir von Mord reden, dann meinen wir ein System, welches dem Menschenleben aktiv schadet und den Tod willentlich in Kauf nimmt. Die „Death in Custody“-Kampagne zählt allein seit 1990 über 179 Tode von Rassismus betroffener Menschen in Knästen und Polizeigewahrsam. In dieser Zahl nicht enthalten sind die Menschen, die in Lagern gestorben sind oder Menschen wie Maria, welche 2020 von Bullen in ihrer Wohnung erschossen wurden.  Jeder einzelne Todesfall ist einer zu viel.

Doch gedenken wir nicht nur den Todesopfern, sondern zeigen wir uns auch solidarisch mit all denjenigen, die den mörderischen Status Quo nicht mehr hinnehmen wollen. Denn diese Genoss*innen werden mit staatlicher Repression konfrontiert.

Vor allem Insassen im Knast sind der Willkür der Wärter*innen ausgeliefert. Die Zellen der beiden Gefangenen, dank welcher wir überhaupt erst Augenzeugenberichte vom Brand und von der Untätigkeit der Wärter*innen haben, waren immer wieder Ziel von Razzien. Zudem gab es immer wieder Postkontrollen, von den alltäglichen Erniedrigungen im Knast ganz zu schweigen. Gefangene sind nicht nur physisch von der Außenwelt abgeschnitten sind, sondern auch gesellschaftlich, da sie immer wieder stigmatisiert werden.
Auf ihrem Rücken wird die Spaltung in vermeintlich “gute” und “schlechte” Menschen betrieben. Wir dürfen unsere Genoss*innen in den Knästen nicht vergessen und alleine lassen.
Lassen wir uns von diesem System nicht spalten!

Familienangehörigen und Freund*innen bleibt oft nur der beschwerliche, kostspielige und oft aussichtslose Weg durch die Justiz. Die Ermordung von Oury Jalloh ist eines der bekanntesten Beispiele dafür, wie eine tatsächliche Aufarbeitung der Todesumstände systematisch verhindert wird. Hinzu kommt, dass die Verstorbenen teils medial diffamiert werden, als psychisch auffällig oder aggressiv bezeichnet werden, was dann das Handeln der Repressionsbehörden legitimieren soll.
Wir dürfen die Angehörigen in ihrem politischen Kampf nicht alleine lassen!

Aktivist*innen, welche für eine Welt ohne Knäste und Polizeigewalt kämpfen, werden mit drakonischen Rechtsurteilen und Gewalteskapaden der Polizei überzogen, sowohl auf der Straße als auch in Gewahrsam.

Die Rote Hilfe Berlin appelliert an alle Genoss*innen, sich solidarisch zu vernetzen, auszutauschen und gemeinsam zu handeln.
Lasst uns nicht auf Wohltaten des Staates hoffen!
Lasst uns auf Justiz und Polizei Druck ausüben!
Lasst uns dieses schädliche und tödliche System gemeinsam bekämpfen!
Jeder Todesfall in Gewahrsam ist einer zuviel!

In Gedenken an Ferhat Mayouf, an Maria B., an Mohamed aus Bremen, an Oury Jalloh und all die anderen!
Vielen Dank!

 

Den Aufruf zum 23.01.21 findet ihr hier und andere Redebeiträge findet Ihr auf unserem Blog