Redebeitrag (7/7) vom 23.01.21 – Criminals for Freedom

Am 23.01.21, haben sich etwa 200 Menschen versammelten, um dem im Knast Moabit Ermordeten Ferhat Mayouf zu gedenken. Ihr findet alle Redebeiträge auf unseren Blog. Hier der von Criminals for Freedom:

(Der Beitrag wurde auch aufgenommen und ist hier zu hören)

Vor genau einem halben Jahr wurde hier, im Knast Moabit, Ferhat Mayouf ermordet. Seine Zelle brannte in der Nacht vom 23ten Juli, er schrie um Hilfe, doch die Wärter*innen öffneten ließen ihm am Feuer sterben. Nun sagen sie, es wäre Selbstmord gewesen. Sie sagen, sie hätten angeblich nichts tun können, weil die Zellentür zu heiß gewesen wäre, um Ferhat aus den Flammen zu befreien.

Wir kennen Morde wie diese schon – Ferhats Tod erinnert an den von Oury Jalloh, welcher ebenfalls in einer Zelle im Bullenrevier in Dessau verbrannte. Und auch hier schwafelt die Justiz von Selbstmord, auch hier entziehen sie sich nicht nur der Verantwortung, sondern vertuschen einen rassistischen Mord!

Es wurde heute schon oft betont, aber wir müssen es immer wieder lautstark sagen: es gibt keinen Selbstmord im Knast! Menschen sterben nicht in den Knästen, weil sie sich selbstbestimmt dazu entschlossen haben. Sie sterben, weil das Knastsystem sie dazu zwingt, zu sterben, und Menschen gezielt ermordet!

Ferhat kam aus Algerien, war 38 Jahre alt, saß in Untersuchungshaft wegen Diebstahl und war Person of Color. Dem Knast teilte er mit, dass es ihm nicht gut geht, er wollte eine ärztliche Betreuung. Allerdings wurde er weder jemals einem Arzt vorgestellt, noch in ein Krankenhaus gebracht. Im Gegenteil: er wurde auf 5 qm über Wochen lang 23 Stunden isoliert, mit sich allein gelassen. Von Wärter*innen wurde er immer wieder rassistisch beleidigt und verprügelt. Dann brannte es in seiner Zelle – und Wärter*innen standen daneben, sie hörten seine Hilferufe aus dem geschlossenen Raum, sie hörten immer wieder „Hilfe! Hilfe! Feuer! Feuer!“ – und standen dort weiter, plauderten, unternahmen nichts.

Ferhats Mayoufs Tod war, ebenso wie der Tod von derzeitig min. 179 bekannten weiteren in Gewahrsam getöteten, ein rassistischer Mord! Und Morde wie diese können unbehindert stattfinden, weil Knäste in ihrer gesamten Funktion rassistische, autoritäre Institutionen sind!
Das zeigt sich an den stetigen Diskriminierungen, Beleidigungen, Übergriffen und Folterungen von allem People of Color und schwarzen Menschen in Knästen, ebenso aber auch an den generellen Haftbedingungen. Gefangenen Leben ist diesem Staat eh nichts wert und offensichtlich noch weniger, wenn es sich um People of Color oder schwarze Gefangene handelt.

So ist es auch kein Geheimnis, dass die medizinische Versorgung miserabel bis gar nicht vorhanden ist. Viele Knäste, in welchen 500-800 Gefangene verharren müssen, verfügen oft nur über einen Arzt, welcher bei jeder Krankheit, sei es Knochenbrüchen, Herz- oder Lungenerkrankungen, entweder gar nicht behandelt, oder maximal Schmerzmittel verschreibt. Durch Knast können bei Menschen aber nicht nur körperliche, sondern auch seelische Beschwerden auftreten – aber Psycholog*innen oder Therapeut*innen sind im Knast nicht nur Mangelware, sondern ebenso oft nicht vorhanden.

Ferhat hat bei seiner Inhaftierung eindeutig gesagt, dass er psychologische Hilfe braucht. Er hatte Wunden, die er auch zeigte. Im Knast kam keiner auf die Idee, ihm die von ihm geforderte psychologische Beratung anzubieten – weil er Gefangener und Person of Color war.

Diese Zustände in den Knästen werden sich niemals verbessern, im Gegenteil.
Vor allem in aktuellen Pandemie Zeiten zeigt sich, wie der gesamte Staat und besonders auch Knäste, immer autoritärer, immer repressiver, immer offensichtlicher faschistisch agieren. So wie draußen rechte und rassistische Stimmen lauter werden und rechte und rassistische Gewalt zunimmt, so offenkundiger rassistisch werden es auch Staatsdiener wie Wärter*innen. So wie draußen repressive und autoritäre Maßnahmen wie Ausgangssperren, Grenzschließungen, Kontakt- und Aufenthaltsverbote und Strafverfahren bei Missachtung dieser zunehmen, so restriktiver werden auch Knäste.
So ist beispielsweise in diesem Knast, vor dem wir gerade stehen, vor ein paar Wochen Corona ausgebrochen. Und während Wärter*innen keine Masken tragen und keinen Abstand zu den Gefangenen halten, werde diese wiederum oft 23h eingeschlossen, dürfen keine Besuche mehr von Angehörigen empfangen, können keine Ausgänge oder Freizeitangebote wahrnehmen – kurz: werden noch mehr isoliert, als sie es eh schon waren. Sie sind es, die die Konsequenzen der autoritären Politik mit am meisten spüren. #StayHome bedeutet für sie, jeglichen Kontakt nach außen zu verlieren, alle Beziehungen aufgehoben zu müssen, auf 5 qm eingesperrt zu sein – um sich am Ende wahrscheinlich trotz dessen mit dem Virus zu infizieren, weil die Wärter*innen im Knast ein- und ausgehen und dementsprechend das Virus mit rein schleppen.

Die Situation für Gefangene ist seit der Pandemie und den damit verbundenen staatlichen Maßnahmen noch schlimmer geworden, als sie es eh schon war. Allein deswegen ist es wichtig, sich jetzt an der anschließenden Demonstration zu beteiligen! Aber es gibt auch noch viele weitere gute Gründe – seit jetzt also laut und wütend und lasst uns gemeinsam für ein besseres Morgen, ohne Knäste, demonstrieren!

Freiheit, für alle Gefangenen.

Den Aufruf zum 23.01.21 findet ihr hier und andere Redebeiträge findet Ihr auf unserem Blog