Redebeitrag (1/7) vom 23.01.21 – Death in Custody

Am 23.01.21, haben sich etwa 200 Menschen versammelten, um dem im Knast Moabit Ermordeten Ferhat Mayouf zu gedenken. Ihr findet alle Redebeiträge auf unseren Blog. Hier der von Death in Custody:

(Der Beitrag wurde auch aufgenommen und ist hier zu hören)

Am 23. Juli 2020 starb Ferhat Mayouf aus Algerien infolge eines Zellenbrands in der JVA Moabit. Offiziell wird sein Tod als „Suizid“ dargestellt. Vieles deutet allerdings daraufhin, dass die JVA für seinen Tod verantwortlich ist: So hatte Mayouf über Depressionen geklagt. Er bekam jedoch keine Hilfe, sondern wurde im Gegenteil 23 Stunden am Tag eingeschlossen, isoliert und mit seinen schweren Depressionen alleine gelassen. Als seine Zelle brannte, blieben JVA-Mitarbeiter*innen tatenlos; auch auf Hilferufe anderer Gefangener reagierten sie nicht. Als seine Zellentür endlich geöffnet wurde, war er bereits tot. Rippenbrüche an seinem Leichnam und Aussagen von Mitgefangenen deuten darauf hin, dass Mayouf vor seinem Tod durch Bedienstete der JVA misshandelt wurde. 

Die JVA Moabit behauptet, es hätte keine Hilferufe gegeben. Sie bezeichnet den Tod von Ferhat Mayouf als einen Fall von „Suizid“. Wir sagen: Es gibt keinen „Suizid“ im Knast! In einer totalen Institution kann es keinen freien Willen zur Beendigung des eigenen Lebens geben. Außerdem wissen wir dass offiziellen Behauptungen nicht geglaubt werden darf – besonders deutlich zeigen dass die klar widerlegten Lügen um die Ermordung von Oury Jalloh in Dessau. 

Wenn Menschen in Gewahrsam sterben sind das keine Einzelfälle, sondern Folge einer Struktur: Gerade für Menschen, die von Rassismus betroffen sind, können Kontakte mit der Polizei tödlich enden. Sie sterben bei Festnahmen, in Abschiebehaft, sie werden erschossen, zu Tode geprügelt, brutaler Brechmittelfolter unterzogen, bei der Abschiebung tödlich misshandelt oder sterben in einer Gefängniszelle – ob durch aktive Gewalteinwirkung oder unterlassene Hilfeleistung, die Beamt*innen haben die Fürsorgepflicht für Gefangene und sind somit Verantwortlich. Das Risiko durch staatliche Institutionen getötet zu werden  wird noch höher wenn Menschen von Merfachdiskriminierung betroffen sind, also wenn sie sich in psychischen Krisen und Ausnahmezuständen befinden.
 
Noch dazu entzieht sich das, was passiert, gerade in Haft der Kontrolle von außen – Gefangene sind der Institution Knast ausgeliefert. Das hat zur Folge, dass nach Todesfällen Polizei und Wachpersonal entscheiden können, was über das Geschehene berichtet wird. Die Behörden setzen alles daran, Versäumnisse und Verbrechen von Bediensteten des Staates zu vertuschen und Ermittlungen zu verschleppen oder einzustellen. Das schützt Täter*innen in Uniform!
 
Durch unsere Recherche sind uns 179 Todesfälle in Gewahrsamssituationen seit 1990 bekannt. Allein im Jahr 2020 wissen wir von zwölf Fällen, davon drei in Berlin.: der 26jährige Mohamed S. aus Somalia wurde am 14. Februar tot in seiner Zelle der JVA Tegel aufgefunden; der 42jährige Rumäne Marius Krischan starb am 27. März an einem Zellenbrand in der JVA Tegel. Weil es hierzu keine offizielle Statistik gibt, ist von einer hohen Dunkelziffer auszugehen. Das macht es dem Staat leicht, Probleme mit Rassismus zu vertuschen.
 
Um etwas gegen diese Zustände zu unternehmen, hat sich 2019 die Kampagne „Death in Custody“ gegründet. Wir sind ein breites Bündnis aus antirassistischen, Antiknast- und Antirepressions-Gruppen. Als Kampagne fordern wir die lückenlose Aufklärung der Todesfälle und dass der Staat, die Justiz, die Polizei und alle anderen beteiligten Behörden und Einzelperson zur Verantwortung gezogen werden
Das Töten und Sterben muss endlich aufhören, jede Person ist eine zu viel.
Wir sind weder die ersten noch die einzigen mit solchen Forderungen. Dass der Name von Oury Jalloh nicht vergessen wurde, liegt allein an der kontinuierlichen Arbeit der gleichnamigen Initiative. Ohne sie wäre der Mord medial als Suizid durchgegangen. Wir wollen, dass auch der Name von Ferhat Mayouf nicht in Vergessenheit gerät. 
 
Wir fordern Aufklärung! Warum wurden die psychischen Leiden Ferhat Mayoufs ignoriert, warum die Behandlung verweigert?  Warum wurde Ferhat Mayouf nicht aus seiner brennenden Zelle befreit, während das Gefängnispersonal direkt vor seiner Tür stand und seine Hilferufe hören konnte? Wir machen die JVA Moabit für den Tod von Ferhat Mayouf verantwortlich. Wir fordern, dass der Tod von Ferhat Mayouf nicht mehr als „Suizid“ bezeichnet wird, eine lückenlose Aufklärung des Geschehens erfolgt und die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden. 
 
Während manche sich die Frage leisten können, ob es Rassismus in Deutschland überhaupt gibt, wissen wir: Institutioneller Rassismus ist mörderisch in Deutschland. Die Ignoranz und Gleichgültigkeit der Mehrheitsgesellschaft kosten Menschenleben. 
Dem müssen wir alle etwas entgegensetzen, denn wir haben gelernt: auf den Staat kann man sich nicht verlassen. Nur durch unermüdliche Arbeit kann genug Druck erzeugt werden, dass diese Probleme nicht mehr ignoriert werden können.
Gemeinsam gegen rassistische und tödliche Polizeigewalt! 
 

No justice, no peace!

 

Den Aufruf zum 23.01.21 findet ihr hier und andere Redebeiträge findet Ihr auf unserem Blog